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DESCENT.EXE

DESCENT.EXE FULL SIZED

Meine Bachelorarbeit übersetzt ein klassisches Gemälde von Hieronymus Bosch und mit dieser Website biete ich den Betrachtenden einen Zugang in Technik und Arbeitsweise, sowie die inhaltliche Gestaltung und gedankliche Umsetzung meines Werkes.

Dabei ist es mir wichtig zu beschreiben, inwiefern das Originalgemälde "Garten der Lüste" von Hieronymus Bosch übernommen wurde und was dabei als Interpretation vermutet wird.

Hieronymus Original?

Quelle: Wikipedia - Garten der Lüste

Ich habe mich für die Nachstellung des rechten Flügels - die Hölle - des Triptychons "Garten der Lüste" von Bosch entschieden, da der Wimmelbild-Charakter der Malerei die Betrachtenden dazu motivieren soll, die vielen Details zu entdecken, die alle mit einer eigenen - oder beabsichtigten Interpretation versehen wurden. Die Sogwirkung des Gemäldes war ein ausschlaggebender Punkt meiner Entscheidung, da eine ähnliche Wirkung von Onlinespielen, in diesem Fall World Of Warcraft (WoW), ausgeht. Ebenso habe ich das Format des rechten Flügels des Originals (97,5 x 220 cm) beibehalten. Ich will dadurch den Betrachtenden eine dem Original ähnelnde Beobachtung der Geschehnisse im Bild ermöglichen.

Da ich in meiner Thesis das Thema der Online-Spielsucht (internet gaming disorder) am Beispiel von WoW behandelt habe, stelle ich in diesem Projekt alles mit 3D-Objekten und Screenshots aus dem Spiel dar. Boschs Malerei handelt von den Sünden der Menschheit, deshalb habe ich die Bedeutungen, die im Original zu finden sind, auf das Thema der Online-Spielsucht übersetzt. Es werden die Dinge dargestellt, die ausschlaggebende Faktoren für Spielsucht sein können. Teilweise werden also Kompositionen übernommen, um an das Original zu erinnern, allerdings wird die Bedeutung etwas gewandelt, oder komplett verändert.

Teil I: Das Urteil

full foreground

Die Charaktere im linken Vordergrund sollen Menschen darstellen, die ihr echtes Geld für Items oder Glücksspiel und Gold ausgeben. Das ist einerseits möglich durch direkten Kauf von Gold, oder durch das Erwerben von "trading cards", die es kaum noch auf dem Markt gibt. Auf den Karten sind Codes, die im Spiel eingelöst werden können, um seltene Gegenstände zu bekommen. Diese Codes werden im Internet für bis zu mehrere tausend Dollar gehandelt. Hier sind einige der teuersten Gegenstände abgebildet (Grim Campfire 200 $; Tabard of Frost 1.200 $; Murky Pet 6.995 $; Carved Ogre Idol 995 $; Magic Rooster Mount 2.295 $)

real world trading + gambling

Einem Glücksspielenden wird hier, ähnlich zum Original, sein letztes "Gold" abgenommen. Das Glücksspiel wird hier ebenfalls durch Würfel dargestellt, da im Spiel das Kommando /roll möglich ist, das eine zufällige Zahl von 1 bis 100 würfelt. Entscheidet man sich dafür, gegen einen Spielenden um Gold zu würfeln, nennt man das Deathrolling, wobei von 100 abwärts gewürfelt wird, bis es nicht mehr tiefer geht.

Beispiel:
Player 1: /roll 100 - gewürfelte Zahl: 12
Player 2: /roll 12 - gewürfelte Zahl: 2
Player 1: /roll 2 - gewürfelte Zahl: 1 -> Sieg

subscription seller

Der im Original dargestellte "Verkauf der Seele" an den als Nonne verkleideten Dämon wird hier so dargestellt, dass ein Charakter, dem einige Teile eines vollen Ausrüstungssets fehlen, "besiegt" auf dem Boden vor einem voll ausgerüsteten Charakter liegt.

Der ausgerüstete Charakter stellt hier das dar, was der andere Charakter sein könnte, wenn er weiterhin ein Abonnement für Spielzeit abschließe. Durch eine Zahlung von 12,99 € könnte der Spieler bis zu vier Mal die Chance auf die fehlenden Items bekommen. Das Schwein wird hier vom Original so übernommen, dass es nicht ein Dämon, der sich als Nonne verkleidet, sondern die Firma "Blizzard" darstellt. Deshalb auch das eingebrannte Logo des Game Launchers "Battle.net", welcher benötigt wird, um WoW spielen zu können.

spectral and zulian tiger

In der Mitte kann man zwei Tiger erkennen, die eine Spielerin jagen. Der Spektraltiger ist nur durch Trading Card Codes zu erhalten, die bei etwa 4.750 $ anfangen. Der andere Tiger kann nicht mehr auf ursprünglichem Weg, durch das bezwingen eines Bosses, erlangt werden, sondern nur noch durch viel Glück und Unmengen an Gold im spielinternen Schwarzmarkt. Die Jägerin, die die Reittiere befiehlt, hat den Kopf eines Reittiers, das für 20 € im Battle.net-Shop gekauft werden kann.

Die Rollen sind hier getauscht, da der Spieler nicht die Tiger jagt, sondern die Reittiere den Spieler. Das Verlangen nach so vielen Reittieren wie möglich ist für viele ein Grund weiterhin zu spielen, auch wenn das endlose Reittier-Farming ihnen keinen Spaß mehr bereitet und viel Spielzeit fordert.

raidgroup

Hier wird ein "Raid", eine Gruppe aus vielen Spielenden, die gemeinsam für Ausrüstung kämpfen, dargestellt. Die hier gezeigte Waffe (oder Gitarre) ist ein Drop im Spiel, der nur durch eine Gruppe von zehn bis 20 Spieleden jede Woche einmalig ergattert werden kann. Hier will ich den Aspekt der wöchentlichen Verpflichtung zu spielen, die manche Spieler eingehen, zeigen.

Man kann einen Gildenmeister erkennen, der den Spielenden in der Gruppe befiehlt um alle ergatterten Items zu würfeln (zufällige Zahl von 1 bis 100, höchste Zahl gewinnt).

mount hourglass

Hier wird bewusst eine eigene Interpretation gezeigt. Das Original zeigt eine Eule, oder den "Prinzen der Hölle", die Menschen verspeist und diese direkt in die Kanalisation unter sich befördert. Außerdem werden die sieben Todsünden dargestellt, die meiner Meinung nach im Onlinespiel oder der Sucht keine große Rolle spielen.

Da ich beim Betrachten des Originals direkt an eine Sanduhr denken musste, wollte ich den Aspekt des "Farmings" im Onlinespiel aufgreifen. Farming bedeutet so viel wie eine lange Zeit einer Aktivität nachzugehen, um ein seltenes Item oder Reittier zu erhalten. Anders als die Items, die man mit echter Währung bezahlen kann, können die abgebildeten Items nur durch viel Spielzeit und Glück erlangt werden.

Hier ist eines der seltensten Reittiere (0,1% Chance) in WoW so platziert, dass es mit einer Sanduhr verschmilzt. Die Sanduhr verdeutlicht den Zeitaufwand, die Skelette repräsentieren die Personen, die bisher kein Glück hatten und seit Jahren versuchen das Reittier zu ergattern.

Hinter den Skeletten sieht man eine einem Grabstein ähnelnde Gitarre, die im Spiel eine Waffe ist, die nur zu bestimmten Zeiten im Monat zu bekommen ist. Dahinter ein Halloween-Kostüm, das nur um den 31. Oktober verkauft wird.

Teil II: Die Überfahrt

full midground

Je weiter man in den Hintergrund des Bildes wandert, desto mehr dient das Bild der eigenen Interpretation. Einerseits will ich Freiraum zur Interpretation lassen und persönliche Erfahrungen im Bild darstellen, andererseits richte ich mich nach dem Original, wovon leider keine Aufzeichnungen zur Bedeutung des Dargestellten mehr existieren. Der zentrierte "Baummann" ist somit der letzte Anhaltspunkt zum Gemälde von Bosch, da ich den Blickfang in die Mitte des Bildes erreichen und damit den Bezug zum Original ein letztes Mal verdeutlichen will.

frozen river

Im Mittelgrund des Bildes, wird die Überfahrt in den vorderen Teil der Hölle, über den vereisten Fluss dargestellt. Hinter dem Fluss sind Aktivitäten im Spiel dargestellt, die die Spielenden in die Sucht leiten können.

nat pagle dailies

Hier sind beispielsweise "daily quests" zu sehen, die für maximale Effizienz auch jeden Tag abgeschlossen werden sollen. Durch die täglichen Quests bekommen Spielende Items, wie hier dargestellte Angelruten, kosmetische Hüte oder Ruf bei Fraktionen, was für viele wichtig scheint. Diese sind durch blaue Ausrufezeichen über den Köpfen von nicht-spielbaren Charakteren im Spiel zu erkennen.

vault

Jede Woche besteht außerdem die Chance - nach Abschluss von bestimmten Aktivitäten - einen Tresor zu öffnen. Für viele Spielende ist das ein Grund Zeit in die Aktivitäten zu investieren, um bessere Belohnungen zu ergattern.

treeman

In der Mitte ist eine Baum-Komposition dargestellt, die ein bekanntes Gasthaus zeigt, das für manche Spielende der Einstieg in "Roleplay" ist, wobei viele Spielstunden in Charakterentwicklung und Kommunikation mit anderen Spielenden investiert werden. Darüber sieht man eine Spielerin, die Erfolgspunkte sammelt, welche vor allem für Spieler, die nach Vervollständigung streben, wichtig sind. Dazu gehören auch seltene Reittiere, wie Drachen oder Alpakas.

pvp arena + gladiator rechts?

Rechts und links ist der Spieler-gegen-Spieler (PvP) Aspekt des Spiels abgebildet, bei dem die Spielenden gegeneinander kämpfen, um Ehre und PvP-bezogene Gegenstände wie Ausrüstung oder Reittiere zu erlangen. Der größte Teil des PvP sind die Kämpfe in einer Arena, in der Teams von zwei bis drei Spielenden gegeneinander antreten.

Teil III: Der Abstieg

full background

Dies ist der Teil des Bildes, der nicht viele Interpretationen zulässt, da es keine Anmerkungen mehr von Bosch gibt. Es bleibt dem oder der Betrachtenden überlassen zu versuchen, eine Bedeutung hinter dem Hintergrund zu finden. Die Idee ist, den "Eingang" zur Hölle zu zeigen, wo man Gruppen von Menschen sieht, die durch Dungeons laufen und gegen Monster kämpfen. Man könnte sagen, es sind die ersten prägenden Erfahrungen mit dem Spiel, die einen fesseln können.

dungeon details

Man sieht hier die Ein- und Ausgänge von Dungeons aus dem Spiel und die Massen von Spielenden, die sich in die Online-Welt stürzen. Bei Dungeons handelt es sich um Instanzen, in denen eine Gruppe aus fünf Spielenden gegen starke Gegner kämpft, die alleine nicht besiegt werden können. Da Dungeons einerseits wichtig sind, um Erfahrung mit seinem Charakter zu sammeln, bieten sie auch verbesserte Gegenstände, die den Charakter verstärken. Jeder Dungeon ist mit Endgegnern gefüllt, deshalb stelle ich diese hier als lebende und besiegte Drachen dar.

player details

Hier wird der Weg in den vorderen Teil des Bildes dargestellt, der zeigt, dass nicht die komplette Masse der Spielenden der Sucht verfällt. Auf dem Weg vom hinteren in den vorderen Teil werden sozusagen die Spielenden aussortiert, die durch die dargestellten Aktivitäten Gefahr laufen süchtig nach dem Onlinespiel zu werden.

Behind the Scenes

add on 1

Die Umsetzung des Bildes war hauptsächlich so aufgebaut, dass ich einen Großteil der Charaktere mithilfe eines Programmes (Add-On) im Spiel umgesetzt habe. Das Add-On greift dabei auf alle Charaktere zu, die nicht vom Spieler kontrolliert werden können. Man platziert also im Spiel die Charaktere, die benötigt werden und das Add-On macht mehrere Screenshots, die das Freistellen erleichtern. Dabei wählt man aus etwa 300 Animationen, die pausiert werden können, um etwas Leben in die Charaktere zu bringen.

drowning gambler

Hier am Beispiel des Glücksspielers:
Erst wird der Charakter im Spiel animiert (hier die Animation "Ertrinken"), dann ein Screenshot und eine Maske erstellt, danach wird der Screenshot freigestellt und in der 3D-Software platziert.

wowhead dressing room

Da das oben gezeigte Add-On keine eigenen Charaktere erlaubt, habe ich ein alternatives Tool benutzt, das erlaubt Charaktere nach Belieben zu gestalten und auszurüsten. Der einzige Nachteil daran war, dass alle Screenshots manuell freigestellt werden mussten. Wenn die Perspektive nicht gepasst hat, musste ein neuer Screenshot gemacht und freigestellt werden.

blender screenshot 1

Nach dem Freistellungsprozess habe ich die Screenshots der Charaktere also in der 3D-Software als 2D-Bilder platziert und zu einer Collage angeordnet.

export tool

Die 3D-Objekte, die im Bild zu entdecken sind, wurden alle mit einem weiteren Programm exportiert, das auf die Spieldatenbank zugreift und Zugang zu allen Objekten (ca. 110.000 Stück) im Spiel hat. Dabei handelt es sich um alle restlichen Gegenstände, Berge, Türme und Bäume. Diese wurden als 3D-Objekt exportiert, um sie in der 3D-Software zu platzieren. Teilweise habe ich diese auch bearbeitet, wie beispielsweise den Baummann in der Mitte des Bildes, der aus mehreren Objekten zusammengefügt ist.

blender screenshot

Diese Vorgehensweise war zwar aufwendig, allerdings war es mir wichtig bis auf wenige Ausnahmen, nur Objekte und Charaktere aus dem Spiel zu benutzen.

Letztendlich habe ich Vorder-, Mittel- und Hintergrund einzeln gerendert und zu dem finalen Bild zusammengefügt.

blender screenshot
blender screenshot
blender screenshot

Falls Sie noch hier sind, möchte ich Ihnen für Ihr Interesse an meiner Abschlussarbeit an der Merz Akademie danken! Außerdem will ich mich bei meiner Familie, Karim, Maxim und Mario bedanken, die mich während des Projekts unterstützt haben.

Wenn Interesse besteht geht es hier zu meiner Thesis und meinen anderen Werken, die in der Studienzeit entstanden sind:
Auf meiner Website
oder auf Instagram @hexer.obj!

Vielen Dank!
- Paul Mignot